Editorial im Februar 2023
Liebe Leser,
das Jahr 2022 endete mit dem Tod unseres emeritierten Papstes Benedikt XVI. Wie schon im September 2022 mit dem Tod der englischen Königin Elisabeth II., die mehr als siebzig Jahre auf dem Thron saß, eine politische Ära zu Ende ging, so geht mit dem Tod dieses Pontifex und herausragenden Theologen in unserer Kirche eine Ära zu Ende. Zahlreiche Geistliche und Theologen hat er in den vergangenen Jahrzehnten durch seine Predigten und Bücher geprägt. Als Berater beim II. Vatikanischen Konzil, als Professor in Tübingen und Regensburg, als Erzbischof in München-Freising, als Kurienkardinal und Präfekt der Glaubenskongregation, schließlich von 2005 bis 2013 als Papst und zuletzt als emeritierter Papst im Beten und Leiden hat er das Leben der Kirche entscheidend mitgeprägt.
Joseph Ratzinger, der in Marktl am Inn unweit von Salzburg geboren wurde und selbst ein leidenschaftlicher Klavierspieler war, wird gerne der „Mozart der Theologie“ genannt. Als Sohn eines Landgendarms aus einfachen Verhältnissen stammend, hat er seinen Ursprung nie vergessen und sich eine einfache, geradezu kindliche Frömmigkeit bewahrt, die er jedoch entlang der Heiligen Schrift und der überlieferten Glaubenslehre der Kirche in die Tiefe führte. Damit bildete er den Kontrapunkt zu einer Vielzahl von Theologen, deren Arbeiten eher von intellektuellen Thesen und einer Skepsis gegenüber Schrift und Lehramt geprägt sind. Der letzte von ihm überlieferte Satz bringt dies zum Ausdruck: „Jesus, ich liebe dich.“ Damit schlägt er die Brücke zu seiner Antrittsenzyklika „Deus Caritas est“.
Mit einem klaren analytischen Geist, der ihm bis zuletzt erhalten blieb, hat er die Gefahren der Zeit erkannt und benannt. Schon 1958 schrieb er von „einer Kirche von Heiden, die sich noch Christen nennen.“ Er sprach vom „Schmutz in der Kirche“ und ging gegen sexuellen Missbrauch schärfer vor als alle seine Amtsvorgänger – auch wenn dies in den Medien gerne verschwiegen wird. Vor dem Konklave von 2005 sprach er in seiner Predigt von einer „Diktatur des Relativismus“, welche die Wahrheiten beliebig werden lässt. Und kurz vor seinem freiwilligen Amtsverzicht hielt er in Freiburg eine aufsehenerregende Predigt, in der er eine „Entweltlichung der Kirche“ forderte. Mit solch deutlichen Worten hat er sich gerade im deutschen Sprachraum zahlreiche Gegner gemacht.
Unsere Zeitschrift heißt „Fels“, da sie treu zum Heiligen Vater als Oberhaupt der Kirche steht. Benedikt XVI. war ein besonders starker Fels, von dem wir auch nach seinem Amtsverzicht immer wieder gerne Texte abgedruckt haben, da sie den Leser wirklich im Glauben stärken. Dass nach seinem Tod schon bald „Santo subito“ Rufe erklangen, wundert nicht. Bislang ist der letzte Tag des Jahres nach Papst Silvester I. benannt, der am letzten Tag des Jahres 335 verstarb. 2022 verstarb ein noch größerer Papst an diesem Tag. Sollte er tatsächlich heiliggesprochen werden, wird man den letzten Tag des Jahres vielleicht künftig „Benedikt“ nennen.
Mit den besten Grüßen aus Marienfried,
Rektor Georg Alois Oblinger und das Redaktionsteam