Glaubenszeugnis Juni 2024

#Anton Spiess

Auf Befehl Heydrichs „entsorgt“

 

 

Sechs Tage nach dem Beginn des Kriegs gegen Polen, am 6. September 1939, gab Reinhard Heydrich den Befehl zur „Intelligenzaktion“. Der Chef des Reichssicherheitshauptamts ordnete an, die führenden Schichten der polnischen Bevölkerung sollten „so weit wie möglich entsorgt werden“. In Lublin, im Grenzgebiet zwischen dem deutsch und dem russisch besetzten Bereich Polens, fielen diesem Befehl rund 2000 Menschen zum Opfer. Einer von ihnen war Antoni Zawistowski, der am 10. Oktober 1882 im ebenfalls ostpolnischen Dorf Swieck-Strumiany zur Welt gekommen war.

 

Nach dem Schulbesuch trat er 1899 in das Priesterseminar in Lublin ein, studierte an der Heilig-Geist-Akademie in Sankt Petersburg und empfing dort 1906 die Priesterweihe. Er wurde nach dem Abschluss des Theologiestudiums Vikar in Lublin sowie Professor am Seminar der Stadt und erhielt den Ehrentitel Kanoniker. Antoni Zawistowski veröffentlichte theologische Bücher, organisierte als Vizerektor aber auch umfangreiche gemeinnützige und wohltätige Aktivitäten. Er wurde deshalb „Almosenmann“ genannt. Zawistowski war außerdem Seelsorger der Schwestern der Nächstenliebe des Heiligen Vinzenz von Paul im nicht weit entfernten Kazimierzowce.

 

Im November 1939 verhafteten die deutsche Sicherheitspolizei und Gestapo rund hundert Kleriker aus Lublin, Chelm und anderen Städten der Region. 13 Priester, darunter auch Anton Zawistowski, wurden vor einem deutschen Standgericht angeklagt, bewaffneten Widerstand organisiert zu haben. Alle wurden zum Tod verurteilt, jedoch später zu lebenslanger Haft „begnadigt“. Am 3. Dezember wurde Anton Zawistowski in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert. In einer heimlich gefeierten heiligen Messe sagte er dort in der Predigt: „Wir sind hier für den Glauben, die Kirche und das Vaterland. Für diese Anliegen geben wir bewusst das Leben“. Zawistowski strahlte nach Berichten von Mithäftlinge nimmer innere Ruhe und Ausgeglichenheit aus, die anderen halfen, zu überleben.

 

Letzte Station seines irdischen Lebens wurde am 14. Dezember das Konzentrationslager Dachau. Dort musste er unzählige Male Folter und alle erdenkliche Art von Qualen ertragen. Trotzdem schaffte er es, mit seinem Glauben und der Liebe zum Nächsten die Mitgefangenen mit dem Wort Gottes zu stärken. Im Hungersommer 1942 musste der von harter, erschöpfender Zwangsarbeit in der Plantage geschwächte Priester ins Lager-„Krankenhaus“ gebracht werden.

 

Es war ihm nicht gegeben, sich noch einmal zu erholen. Sein irdisches Schicksal erfüllte sich am 4. Juni 1942, dem Hochfest des Leibes und Blutes Christi. Sein Leichnam wurde im Lagerkrematorium verbrannt. Papst Johannes Paul II. sprach Antoni Zawistowski am 13. Juni 1999 in Warschau in einer Gruppe von 108 polnischen Märtyrern des Nationalsozialismus selig.

 

 

Klemens Hogen-Ostlender

 

zurück zu aktuell zurück