Glaubenszeugnis Februar 2023
Seliger Stefan Wincenty Frelichowski
Nächstenliebe in Zeiten der Seuche
Um die Jahreswende 1944/1945 wütete eine Typhusepidemie im KZ Dachau. Ab Herbst 1944 war das Lager mit über 30.000 Menschen völlig überfüllt. Die für 52 Menschen geplanten Stuben in den Baracken waren nun mit 300 bis 500 Personen belegt. Die Sterblichkeit lag im Januar 1945 bei 2903 Toten und stieg die folgenden Monate an. Typhus, durch Salmonellen verursacht, führt vor allem unter medizinisch schlechten Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod. Fleckfieber, hervorgerufen durch Bakterienübertragung durch Läuse, hat ähnliche Symptome.
„Ihr, Priester, habt immer so schön über die Nächstenliebe gepredigt. Zeigt sie also nun in euren Taten!“ So hallten am Appellplatz im Februar 1945 Lautsprecherdurchsagen, die die Geistlichen verhöhnen und diffamieren sollten. Hier war die Saat von Nietzsche aufgegangen, der die Nächstenliebe das größte Laster genannt hatte.
Was man in der Kommandantur nicht wusste: Längst war durch Geistliche ein Werk der Nächstenliebe geschaffen worden. In den streng isolierten Typhusbaracken, die kein SS-Mann mehr betrat, sah es so aus: Die Kranken lagen nackt auf den bloßen Brettern, zu schwach, um auf den Abort zu gehen. Sie litten an Durchfall und hohem Fieber.
Stefan Wincenty Frelichowski wurde am 22.01.1913 in Chelmza, einer kleinen Stadt in Polen, geboren. Er schrieb als Seminarist: „Ich muss ein Priester nach dem Herzen Christi sein.“
Im KZ Dachau schleppten er und andere Priester liebevoll die Kranken in den Waschraum, wuschen sie, fütterten sie und krochen zu den Sterbenden in die dreistöckigen Pritschen, um ihnen die Sterbesakramente zu spenden.
Am 6. Februar 1945 begleitete Frelichowski 5-6 polnische Geistliche, die sich als freiwillige Helfer gemeldet hatten. Er konnte aber nicht in die Isolationszone mitgehen, weil er an diesem Tag schon Kopfschmerzen und Fieber hatte. Er versprach ihnen, sobald es ihm besser gehe, zu ihnen zu kommen. Drei Tage wurde er im Priesterblock 28 gepflegt, doch er musste ins Krankenrevier, das Häftlingslazarett, gebracht werden.
Dort starb er am 23.02.1945, 32-jährig nach 6 Jahren Gefangenschaft, davon mehr als 4 Jahre im KZ Dachau. Heimlich wurde eine Totenmaske abgenommen. Zwei Finger der rechten Hand konnten als Reliquien bewahrt werden. Die Zahl der Priester aus sechs Nationen, die sich zur Pflege der Typhuskranken gemeldet hatten, liegt nach heutigem Kenntnisstand bei 35. Sie konnten namentlich ermittelt werden. 10 von ihnen hatten sich angesteckt und starben an Typhus. Fünf sind seliggesprochen: Seliger Stefan Wincenty Frelichowski (am 7. Juni 1999), Seliger P. Hilary Paweł Januszewski, Seliger Br. Józef Zapłata, Seliger P. Richard Henkes, Seliger P. Engelmar Hubert Unzeitig. Sie sind Zeugen der christlichen Nächstenliebe – Zeugen für Christus.
Hermann Rieke-Benninghaus